Als mein Weg aus der Panikerkrankung begann, habe ich zunächst zu hören bekommen, dass ich das, was andere können, auch lernen kann: Der Ausspruch meiner damaligen Therapeutin bezog sich auf die Bewältigung von angstauslösenden Situationen und mag für diejenigen seine Richtigkeit haben, die auf Konfrontationstherapien stehen. Damals wie heute war und ist dieser Weg für mich wenig erfolgversprechend, denn es hat mich extrem unter Druck gesetzt und nicht zum Ziel geführt.
Wieder einmal erst etwas schaffen zu müssen, um gut genug zu sein, hat meine Probleme nicht gelöst, sondern eher verschärft. Heute weiß ich, dass sie es Mut-machend gemeint hat. Und ich weiß, dass mein Weg ein anderer sein sollte. Die Zusammenhänge erläutere ich in meinen Büchern ausführlich.
Dazu ein paar Gedanken:
Ich glaube, ich war schon immer „anders“ – nicht besser oder schlechter, sondern einfach nicht so wie viele Kinder in meiner Umgebung.
Als Säugling und Kleinkind war ich ernsthafter, forschender, konnte gut allein sein und stundenlang mit einem Regenwurm „kommunizieren“. Ich bekam deshalb oft zu hören, ich solle nicht so „böse“ gucken, nicht so trödeln und schon gar nicht mit der gerade gewaschenen Hose auf der Erde sitzen.
In der Grundschule war ich meinen Lehrern zu lebhaft und kommunikativ – so steht es zumindest in meinen Zeugnissen der ersten beiden Schuljahre … Danach hatten sie es mir offenbar erfolgreich abgewöhnt, denn es gab keine schriftlichen Bemerkungen mehr dazu. Trotz der Kommunikationsfreude war ich aber nicht in der Lage, mich mit den anderen Kindern zu verbinden. So hatte ich nur eine wirklich gute Freundin – ein Mädchen, mit dem sonst niemand etwas zu tun haben wollte, weil sie Türkin war. Auch sie war anders und das machte uns zu Verbündeten. Meine Eltern machten sich offenbar wirklich sorgen deswegen, denn plötzlich sollte ich nicht so vorlaut sein und auch mal mit der netten Nachbarstochter spielen.
Je älter ich wurde, desto mehr habe ich mich an das angepasst, was scheinbar von mir erwartet wurde – ich übernahm die Rolle der „Braven“ im Familienverband, in der Schule, in der näheren und weiteren Umgebung. So habe ich bis zum Ausbruch meiner Panikerkrankung immer versucht, nicht aufzufallen, die an mich gestellten Erwartungen zu erfüllen, mich anzupassen … Ich habe einen anständigen Beruf erlernt, habe immer bis ans Limit gearbeitet, war eine gute Ehefrau, Freundin, Tochter und Lehrerin mit einem überproportionalen Helfersyndrom als Rucksack …
Dann kam die Panik und plötzlich habe ich nicht mehr funktioniert, war vollkommen „out of order“!
…
Heute betrachte ich diesen Zusammenbruch als ein Riesengeschenk. Plötzlich hatte ich meine Ruhe, denn die meisten Erwartungshaltungen verstummten. Ich wurde von heute auf Morgen von vielen gemieden, denn 2002 war eine psychische Erkrankung ein Ausschlusskriterium. Nicht schön, aber in der Situation wirklich sinnvoll für mich.
Und diese erzwungene Ruhe habe ich als Chance zur Umkehr genutzt, zaghaft zunächst, aber schließlich immer deutlicher.
Als auch nach außen klar wurde, dass ich nicht wieder die „alte“ werden konnte und wollte, wurde ich wieder mit Erwartungshaltungen konfrontiert: Ja, es war sicher gut, dass ich wieder gesund wurde, aber dass ich mich veränderte, plötzlich die Spielregeln neu formulierte, war für viele eine echte Herausforderung. Musste das denn wirklich sein?
…
Es gibt nicht nur schwarz oder weiß, denn Gott liebt es knallbunt!
So heißt es auf der Kartenrückseite des Bildes:
Wie das obige Bild und der Gedanke auf der Kartenrückseite belegt, musste diese Veränderung absolut sein – und heute gelingt es mir überwiegend, mein „anders-sein“ zu leben. Sicher, an manchen Punkten muss ich mich anpassen, z.B. weil es gesellschaftliche Erfordernisse gibt, aber insgesamt bin ich mir mehr und mehr auf der Spur! Und das ist, da bin ich mir sicher, auch Gottes Wille, nicht nur für mich, sondern für jede/n von uns!
Es geht dabei nicht um „besser“, sondern um einzigartig sein.
Es geht nicht darum, Vorteile ausnutzen oder andere zu übervorteilen. Es geht darum, die eigenen Vorteile/Vorzüge einzubringen und zu teilen, um ein großes Ganzes, ein buntes und vielfältiges Bild zu erschaffen, in dem jede und jeder ihren und seinen Platz hat – alle Mitgeschöpfe und die Natur mit einbezogen. Das auch das Gottgewollt ist, zeigen meine Naturfotos eindrücklich.
Wenn wir uns dessen bewusstwerden und danach handeln, dass wir nur in unserer Einzigartigkeit unser Bestes geben können, dann können wir gemeinsam Wunder kreieren.
Lasst uns unsere Einzigartigkeit feiern, statt im Schwarz-Weiß abzutauchen!
Text und Bild: © Imke Rosiejka / www.imke-rosiejka.de/2024