Bis er kommt – Bis er in uns ankommt
Kennst du das?
Warte nur, bis Papa nach Hause kommt, dann kannst du was erleben. Wenn er erfährt, was du heute angestellt hast, dann setzt es was!!!
Oder kennst du eher das?
Der liebe Gott sieht alles – wenn du nicht lieb bist, kommst du in die Hölle (oder ins Fegefeuer)! In anderer Variante: Kleine Sünden straft der liebe Gott sofort, große etwas später!
Wie viele Menschen das „Bis er kommt“ wohl als Bedrohung ansehen, weil sie genau mit dieser Angst vor Strafe aufgewachsen sind? Und wie viele „Kirchenoberen“ daraus eine angstgenerierende Religion gemacht und gefestigt haben, weil diese vor allem hilft, ihre Machtstrukturen zu erhalten?
Das ist mir, Gott sei Dank, erspart geblieben.
Ich bin von Haus aus evangelisch, allerdings spielte der Glaube bei uns eine sehr untergeordnete Rolle. Ja, wir Kinder sind alle getauft und konfirmiert, aber im Alltag standen eher die weltlichen Sanktionierungen im Vordergrund, wenn wir uns nicht so verhalten hatten, wie es von uns erwartet wurde.
Mein Beziehung zu Gott konnte sich, als ich in meiner tiefsten Krise steckte, deshalb ohne diese Angst vor seiner Bestrafung entwickeln.
Ja, auch wir hatten unsere Probleme miteinander, nein: Ich hatte die Probleme mit ihm, aber sie waren nicht von dieser unglaublichen Angst geprägt, er könne mich in der Hölle schmoren lassen. Ich war so am Leben verzweifelt, dass er mir erst einmal beweisen musste, überhaupt für mich da sein zu können. Er musste mir beweisen, dass er ein Interesse an mir hat und diese Katastrophe, die mein Leben war, mit allem, was ihm zu Verfügung stand, begleitet hatte und abwenden helfen wollte …. Ich hatte das aber nicht gesehen, weil ich zu sehr mit meinen alltäglichen Kämpfen beschäftigt war. Ich konnte damals nicht sehen, dass er mir das Leben zutraut und gerade in meinem Scheitern, in meiner Verzweiflung für mich da ist, weil auch das zum Leben dazugehört. Dass er nicht noch eine Strafe für mich in der Tasche hat, weil ich „es“ nicht geschafft, den Erwartungen nicht gerecht geworden war, sondern ich in seinen Augen nichts zu beweisen brauchte.
Inzwischen bin ich der Überzeugung, dass er, wie ein liebender und fürsorglicher Vater, ein großes Interesse an meiner Entwicklung hat, aber nicht strafend eingreift, auch wenn es noch so schief geht. Er möchte, dass ich mich ihm zuwende, seinen liebenden Prinzipien folge, achtsam mit mir und meiner Umwelt umgehe und meine Mitgeschöpfe mit dem Respekt behandeln, mit dem auch ich behandelt werden möchte.
Er möchte, dass ich mir meiner Verantwortung bewusst bin, meine Begabungen und Talente, die er mir in die Wiege gelegt hat, entdecke und lebe – und zwar nicht mit „beweisen müssen“, dass ich gut genug bin, sondern mit Freude und Dankbarkeit.
Ich sehe in meiner näheren und weiteren Umgebung, in der Welt einen Wettstreit um Ressourcen, Geld und Macht, der letztlich gespeist ist von unerfüllter Sehnsucht nach Gesehen und Geliebt werden. Diese Sehnsucht ist in uns allen angelegt, aber sie wird nicht durch das Streben nach Geld und Macht gestillt. Das, was sich im Augenblick, nein seit Jahrhunderten in der Welt zeigt, ist nicht Gottes Strafe, wie einige glauben, sondern die Folge menschlichen Handelns.
Wir haben es in der Hand, unser Handeln zu verändern. Nur wir haben es in der Hand, das zu tun! Sein Vorbild, das uns im Leben Jesu gezeigt wird, ist es, das uns den Weg zeigt.
Deshalb bin ich hoffnungsvoll, denn ich sehe, dass sich einiges zu ändern beginnt – die Wahrnehmung schärft sich: Die Erfahrungen während der Corona-Pandemie, die Energiekrise und die Kriege in aller Welt tragen dazu bei, dass Dinge, die seit Jahren „nicht in Ordnung“ sind, jetzt bei vielen deutlicher in den Fokus rücken. Gesunde Ernährung wird wichtiger, wertschätzender Umgang miteinander (z.B. gerechte Preise für Lebensmittel und andere Waren) und mit der Umwelt (Fridays for Future) sind Zeichen für Wandel, auch wenn die Wirtschaftsgiganten dieser Welt das noch mit einigen Maßnahmen zu verhindern versuchen.
Wie sagte eine gute Bekannte: „Das „Alte“ macht Lärm beim Sterben!“ Das trifft es wohl.
Ich bete dafür, dass sein „in-uns-ankommen“ eine bessere Zukunft für uns bedeutet, weil wir erkennen, dass er nicht mit Strafe zu uns kommt, sondern in uns ankommen und wirken will, damit wir frei werden von Erwartungshaltungen und unerfüllten Sehnsüchten. Er will uns nicht mit Tod und Teufel bedrohen, sondern uns zu einem erfüllten und liebevollen Leben helfen! Und dafür hat er uns alles geschenkt, was wir haben und sehen – wenn wir es denn sehen können und wollen.
Wenn wir es schaffen, in unserem eigenen Leben die Richtung zu ändern, werden sich auch die Kämpfe im Außen auflösen – wie innen so außen – das ist eines der Prinzipien des Lebens.
In diesem Sinne wünsche ich dir eine schöne, von Erfüllung und Bewusstheit geprägte Zeit.
Text und Bild: © Imke Rosiejka / www.imke-rosiejka.de/2024